Suizidzahlen für 2022
Laut dem statistischen Bundesamt haben sich 2022 insgesamt 10.119 Menschen das Leben genommen.
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Das Werner-Felber-Institute in Dresden verweist auf seiner Website auf einen Anstieg der Suizide unter Jugendlichen. felberinstitut.de
Das Institut beschäftigt sich u.a. mit dem Thema Suizidprävention.
Es veranstaltete beispielsweise am 13. 09. 2023 unter dem Titel „Den Widerständen zum Trotz – Impulse zur Stärkung gesellschaftlicher und persönlicher Resilienz“ einen ersten Fachtag zum Thema.
In den Diskussionen spielt auch die Frage, wie man mit Menschen mit Suizidabsichten rechtzeitig in’s Gespräch kommen kann, eine Rolle. Wann und wie ist ein Suizidaler getriggert. Auf die gesellschaftliche Relevanz des Themas wurde hingewiesen.

In der Gruppenausstellung des Durchblick „So etwas wie Gesundheit gibt es nicht“
(24. Juni – 15. Juli 2023 – Kuration  Lisa Dreykluft) wurden auch Texte von Cat Woywod und Johanna Blank zum Thema Suizid und Sterben vorgestellt, die auf dieser Seite mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen, aus dem Englischen ins Deutsche  übersetzt, veröffentlicht werden.


Cat Woywod: More than enough  [deutscheÜbersetzung]

Triggerwarnung: Suizid

Mehr als genug

Ich erwachte aus einem Traum,
in dem ich endlich losließ und darüber weinte.

Ich begann mit der Aufnahme gegen Mitternacht,
bevor ich endlich einschlief,
als ich endlich spürte, wie der Schmerz nachließ,
als ich den Gedanken wieder finden konnte,
dass es vorübergehen würde.

Die Anatomie dieser Art von Anrufen ist immer gleich.
Ein Bruch des Unfassbaren,
gefolgt von Stille über hastige und leise Worte auf der anderen Leitung,
die durch das sich mikroskopisch verlangsamende Geschehen nicht
hindurchdringen.

Aus Angst, dass alles zum Stillstand kommt,
kann ich meine Hände nicht davon abhalten, die trocknenden Brennnessel vor mir
auszulesen.

Die Stiche sind geblieben, seit wir sie gestern gesammelt haben
aber hier spüre ich sie nicht.

Als die stillen Beileidsbekundungen ausgetauscht sind und das Telefonat endet,
zerfallen die Vergangenheit und die Zukunft in ein Kaleidoskop aus Scherben, und
ringen darum, sich in einer Gegenwart einzurichten, die noch keinen Sinn ergibt.

Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Küche blieben,
hilflos versuchend es zusammenzuhalten
während du mir gegenüber leise weinst.

Als ob sie mich daran erinnern wollen,
warum sie angesichts einer gewissen Zukunft von Qual und medikamentöser
Apathie ihr Leben beendet hat,
setzten die alten Schmerzen ein.

Ich muss mich hinlegen
aber ich kann nicht schlafen.

Am Ende liege ich regungslos im Bett.
Diesen ZeitRaum kenne ich zu gut.

An die Decke starren,
Tage, Wochen, Jahre lang verkümmern.

Als der Schmerz endlich nachlässt,
verstehe ich ihre Entscheidung an dem Tag,
an dem es für sie zu überwältigend wurde weiter abzuwarten.

Ich erinnere mich daran,
wie deine Lieblingsmusik während der 15-minütigen Besuchszeit auf der Station
dir bis zum nächsten Tag etwas zum Überleben gab.

Und ich erinnere mich hier,
auch wenn es unbeweglich und hoffnungslos ist,
dass das Atmen der Lungen und das Schlagen des Herzens mehr als genug ist.


Johanna Blank: Wanting to Die   [deutsche Übersetzung]

Triggerwarnung: Suizid

Sterben Wollen

Menschen, die sterben wollen brauchen Ruhe,
brauchen bedingungslose finanzielle Stabilität,
brauchen eine sichere und schöne Umgebung,
sie brauchen gutes Essen,
sie müssen die Möglichkeit haben ihre Haustiere mitzubringen,
ihre Freunde und Familie zu sehen oder zu kontaktieren,
sie müssen die Möglichkeit haben selbst zu entscheiden
wann sie aufstehen möchten,
wann sie ins Bett gehen möchten,
welche Therapie sie bekommen möchten
oder ob sie überhaupt Therapie bekommen möchten.

Sie müssen die Möglichkeit haben eine Pause von bestimmten Dingen zu machen,
oder keine Pause zu machen.

Sie müssen genauso die Möglichkeit haben ihre Drogen zu nehmen,
wenn sie abhängig sind, als auch Unterstützung bekommen
aus der Abhängigkeit heraus zu kommen.

Sie brauchen liebevolle Menschen, verständnisvolle und ehrliche Menschen.

Und manche Menschen müssen sterben.
Und ihre Angehörigen müssen das akzeptieren.

Wir müssen in Frieden ruhen dürfen, ob lebendig oder unlebendig.

Laut dem statistischen Bundesamt haben sich 2022 insgesamt 10.119 Menschen das Leben genommen. In der Gruppenausstellung des Durchblick „So etwas wie Gesundheit gibt es nicht“ (24. Juni – 15. Juli 2023 – Kuration   Lisa Dreykluft) wurden Texte von Cat Woywod und Johanna Blank zum Thema Suizid und Sterben vorgestellt.

 


22. 11. 2023